Alone in the Dark
oder
Odyssee durch Enschede

Kann man sich tatsächlich in Sichtweite eines Stadions so verirren, daß man erst zur Halbzeit da ist? Man kann, aber das ist dann eine durchaus erstaunliche Geschichte. Eine Vorgeschichte gehört auch dazu in Form von einer guten Stunde Stau, trotz der ich eigentlich gerade so zum Anpfiff dagewesen wäre. Wie empfohlen war ich zunächst den Schildern Richtung Universität gefolgt und hatte schließlich auf Sichtortung der Flutlichtmasten umdisponiert. Dennoch blieb es beim Konjunktiv, denn das eigentliche Abenteuer sollte noch folgen.

Ich hatte mein Auto hinter einer Brücke über einen Fluß oder Kanal abgestellt, von der aus ich das Stadion in einigen 100 m Abstand sehen konnte. Die Ordner an der Kreuzung sagten mir jedoch, daß man da nicht durchgehen könne, sondern über die Brücke zurück, dann rechts ab und dann später wieder rechts über den Fluß gehen müsse. Auf der anderen Seite kam zuerst eine Art Einfahrt und dann eine richtige Straße, die ich genommen habe. Dort war es stockfinster und eine Brücke war nicht zu sehen, wobei die Straße auch noch so weit vom Fluß entfernt war, daß man auch den nur erahnen konnte. Einmal bin ich noch einen Weg in Richtung auf den Fluß gegangen, stand dann aber doch wieder vor dem unüberwindlich dahinfließenden Hindernis.

Der nächste Versuch war ein Anruf bei Twente, doch dort konnte ich nicht plausibel machen, wo ich war. Eigentlich sollte man meinen, die Aussage “Ich stehe auf der anderen Seite vom Fluß und gucke genau auf das Stadion zu” sei eindeutig, aber die Büroangestellten des Teams - denen ich bestimmt keine Absicht unterstellen will - hatten jedenfalls das geometrische Vorstellungsvermögen nicht als hervorragendste Eigenschaft und konnten mir nicht sagen, ob ich nach links oder rechts müsse.

Irgendwann hatte ich dann endlich die Schnauze voll von dem Weg und bin zurück und dann da durch, wo die Ordner vorher gestanden hatten. Dabei fragte ich mich, ob die Wegbeschreibung mit den zwei Flußüberquerungen vielleicht ein blöder Scherz war, den man mit dummen Ortsunkundigen macht, die einem eh alles abkaufen.

Ich kam nunmehr an einer sehr seltsamen Anlage vorbei. Es könnte sich um eine Kläranlage gehandelt haben, denn es gab viele Becken und roch etwas streng. Was dem Ganzen eine schon fast surreale Atmosphäre verlieh, war, daß überall große Tafeln verteilt waren, auf denen jeweils ein holländisches Wort aus roten Lampen mit einer Frequenz von einigen Sekunden ein- und wieder ausgeschaltet wurde. Am Ende dieser Straße war dann tatsächlich gesperrt, allerdings mit einem Tor, das offensichtlich geöffnet werden konnte, fuhr doch gerade ein Krankenwagen durch. Dorthin ging ich und habe die Ordner, die da standen, erst bequatscht, dann angefleht, um schließlich eine kleine Panik vorzutäuschen. Ich überlegte schon, ob ich versuchen sollte, in Tränen auszubrechen, um das ganze zu einem dramatischen Höhepunkt zu führen, doch da hatten die beiden Ordner auch schon ein Einsehen und ließen mich passieren. Das Ganze hat mich von der Scherz-Theorie wieder ein wenig abgebracht, denn eigentlich hätte man ja nicht durchgedurft. Vielleicht hätte ich doch über den (vermeintlichen?) Speditionshof gehen müssen.

Immerhin durfte ich noch die zweite Halbzeit erleben, in der auch noch vier Tore fielen. Nach dem Spiel wäre ich kaum wieder aus meinem Sitz gekommen, taten mir doch alle Knochen weh von der vielen ungewohnten Rennerei.

Auf jeden Fall muß ich noch mal im Hellen nach Enschede, einmal, weil ich das Stadion mit dem Besuch eines kompletten Spiels beehren möchte und dann, weil ich mir die Stätte des Herumirrens gerne noch mal bei Licht ansehen würde. Sollte hier ein Enschede-Fan lesen, der weiß, wo ich war und wie ich hätte gehen müssen, so kann er mir ja mal per E-Mail sein Wissen mitteilen.